Die osteopathische Behandlung zielt darauf ab, den gesamten Körper zu harmonisieren oder erneut zu harmonisieren, wenn eine lokale oder globale Dysfunktion besteht, die man rückgängig machen kann. Diese Fachrichtung kann Patienten/-innen aller Altersklassen behandeln und die Problematik des funktionellen Hallux Limitus (fHL) bedingt Störungen auf vielen Ebenen, die häufig einen osteopathischen Eingriff verdienen.

Lokal verursacht der Tenodese-Effekt des langen Zehenbeugers (FHL) eine Blockade des unteren Sprunggelenks, die mit dem «Staubsaugerkabel» - Manöver aufgehoben werden muss, um seine Gleitbewegung wiederherzustellen. Die Blockade des unteren Sprunggelenks ist häufig mit einer Blockade des oberen Schienbein-Wadenbein-Gelenks verbunden, denn der Rotationssynchronismus dieser Gelenke ist gestört. Als Folge einer Knöchelverstauchung des Aussenbands kann eine Dysfunktion des unteren Schienbein-Wadenbein-Gelenks entstehen. Schlussendlich ist der Mittelfuss häufig exzessiven Belastungen ausgesetzt, die sich durch eine falsche Anordnung zwischen dem Sprungbein und dem Kahnbein ausdrücken.

Die Mobilisierung des unteren Sprunggelenks kann auf klassische Weise auf dem Rücken liegend oder auf dem Bauch vorgenommen werden. Man behandelt das obere Schienbein-Wadenbein-Gelenk vor oder nach der Mobilisierung des unteren Sprunggelenks, je nachdem. Eine entspannende Massage des musculus popliteus kann manchmal die Vorgehensweise erleichtern.

Im Wesentlichen bedingt der fHL (funktioneller Hallux Limitus) auf sagittaler Ebene eine vermehrte Beugungsstellung des Knie-und Hüftengelenks und auch ein Vorkippen des Rumpfes. Dananberg hat dies gut in seinem Artikel erklärt « Gait style as an etiology to chronic postural pain » (DANANBERG HJ: Gait style as an etiology to chronic postural pain: part 1. Functional hallux limitus. JAPMA 83:433, 1993. DANANBERG HJ: Gait style as an etiology to chronic postural pain: part 2. Postural compensatory process. JAPMA 83: 615, 1993).

Auswirkungen auf das Becken

Das Vorkippen des Beckens verschiebt den muskulären Vektor des mittleren Gesässmuskels nach vorne und setzt somit den Pyramidenmuskel ein, um sich an der Stabilisierung des Beckens, auf einem Fuss stehend, zu beteiligen. Der Pyramidenmuskel hält dies nur schlecht aus und entwickelt durch diese übermässige Beanspruchung eine Muskelverhärtung. Zu dieser Verhärtung kommt zunehmend eine Muskelverkürzung hinzu, welche die Beweglichkeit des Kreuz-Darmbeingelenks einschränkt. Dieses Gelenk wird verletzlicher und kann sich somit in einer vorderen oder hinteren Fehlstellung fixieren. Zusätzlich kann eine kompensatorische Blockade des Kreuzbeins in Beugungs-oder Streckungsstellung bestehen, auf der entgegengesetzten Seite der Kontraktur des Pyramidenmuskels. Diese doppelte Fehlfunktion bringt eine Drehung des 5.und/oder 4.Lendenwirbels mit sich, was häufig Schmerzen bereitet. In diesem Fall hat der Patient/die Patientin eine Beinlängendifferenz. Bei einer posterioren (hinteren) Fehlfunktion des Kreuz-Darmbeingelenks wird dies « falsches kurzes Bein» genannt und im Gegensatz dazu ein «falsches langes Bein» bei einer anterioren (vorderen) Fehlfunktion.

Auswirkungen auf den Rücken

Das Vorkippen des Beckens und das vermehrte Vorbeugen verursacht ein Nachvornekippen des Rumpfes. Dieses Kippen führt zu einer Überlastung der hinteren Muskulatur (Wirbelsäulen- Aufrichter), die versucht, das Gleichgewicht zu halten, indem sie dem Nachvornefallen des Rumpfes entgegenwirkt. Die Lordose wird dadurch verstärkt und das lumbale Segment wird durch die Verhärtung des Lendenmuskels, die wegen der Becken-Fehlfunktion besteht, versteift.
Das thorakal-lumbale Scharnier wird somit hohen Gelenksbelastungen und Muskelverhärtungen ausgesetzt, die es für eine Blockade anfällig machen. Im Falle einer einseitigen Fehlfunktion des langen Zehenbeugers (FHL, Flexor Hallucis Longus) oder bei Patienten/-innen mit einer starken Lateralisation des Gehirns (Rechs-oder Linkshänder) wird eine Blockade der Drehbewegung umso mehr begünstigt. Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich eine solche Blockade in Form der lokalen Verhärtung (Trigger Point), verbunden mit einer eingeschränkten Drehbewegung des Rumpfes nach links oder rechts, je nach der Seite der Fehlfunktion. Zu berücksichtigen ist, dass die Streckbewegung dieses thorakal-lumbalen Scharniers im Falle einer starken Kyphose häufig eingeschränkt ist. Die osteopathische Technik, welche benutzt wird, um den thorakal-lumbalen Übergang zu lockern, heisst Fryette-Technik, falls deren Drehbewegung blockiert ist, oder eine Technik des Auf-/Entrollens, wenn die Beugung blockiert ist. Das Problem überträgt sich häufig auf die obere Etage und verursacht eine Verhärtung und Blockade im Nackenbereich. Die Dysmetrie der unterschiedlich langen unteren Gliedmassen erzeugt auf der Frontalebene eine zur Seite gebeugte Haltung, die durch eine Skoliose-Haltung ausgeglichen wird. Der Körper versucht somit auf der letzten Etage – C2 – einen Ausgleich zu schaffen und den Blick horizontal auszurichten. Daher besteht oft eine Fehlfunktion dieses Wirbels, was Kopfschmerzen und eine eingeschränkte Drehbewegung des Halses hervorruft.

Anwendung der Osteopathie in der Pädiatrie

Man kann schon früh im Leben einen funktionnellen Hallux Limitus anhand des Stretch Tests erkennen. Dieser Test kann schon bei einem Neugeborenen durchgeführt werden. Später, nach dem Erlernen des Laufens, ist ein Gang mit innerer Drehung des Fusses häufig mit einem funktionnellen Hallux Limitus verbunden und auch mit einer Becken-Fehlfunktion, durch das Erlernen des Laufens und die häufigen Stürze auf das Gesäss… Eine Manipulierung des Hinterfusses verbunden mit täglichen Dehnübungen des langen Zehenbeugers, welche von den Eltern vorgenommen werden, sind sehr nützlich, damit das Kind wieder ein stabileres Gleichgewicht und einen harmonischeren Gang bekommt. Danach ist es ratsam, das Kind zu beobachten und, falls nötig, die Übungen zu wiederholen, um sicherzugehen, dass die Sehe des langen Zehenbeugers frei gleiten kann und das untere Sprunggelenk frei beweglich ist.
Im Falle einer familiären Veranlagung zu einem Hallux Valgus kann durch eine frühzeitige Behandlung das Risiko einer Deformation vermindert oder vermieden werden. Anzumerken ist auch, dass junge Eiskunstläufer oder Tänzer ein besonders hohes Risiko für eine Vorderfussdeformation haben. Das Trainieren auf Zehenspitzen verursacht oft eine muskuläre Hypertrophie, welche im Falle einer Hypertrophie des langen Zehenbeugers (FHL, Flexor Hallucis Longus) für einen funktionellen Hallux Limitus (fHL) anfällig macht. Zusammengefasst ist die osteopathische Behandlung des fHL eine Ergänzung der Physiotherapie und kann, wenn sie gut ausgeführt wird, einschneidende Verbesserungen der Gangart und des Gleichgewichts der Patienten/-innen, schon im jungen Alter, bewirken.